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Schnuppern ist ein wichtiger Schritt ins Technikland Vorarlberg – oftmals aber auch der erste echte Kontakt mit Technik und Handwerk. Doch was können Betriebe in der kurzen Zeit tatsächlich leisten – und wo beginnt gute Berufsorientierung? Darüber sprechen Robert Kaufmann, Lehrlingssprecher der Industrie und Ausbildungsleiter bei Blum, sowie Richard Kohler, stellvertretender Lehrlingssprecher der Industrie und Produktionsleiter bei Doppelmayr.
Richard: Eine Ausbildung in unseren Betrieben ist super strukturiert, vielfältig und hat eine hohe Qualität. Aber das Wichtigste ist: Wir nehmen uns die Zeit, Talente zu erkennen und zu fördern – angefangen beim Schnuppern und über die gesamte Lehre hinweg.
Robert: Das liegt auch an dem sehr hohen Betreuungsschlüssel, den die Unternehmen haben. Wir haben so die Möglichkeit, auf Lehrlinge individuell einzugehen. Außerdem sind viele Lehrberufe breit einsetzbar – man ist also nicht auf einen Betrieb festgelegt. Und was die Technik betrifft: Unsere Unternehmen sind technologisch auf höchstem Niveau, viele sind sogar Weltmarktführer. Diese technische Vielfalt macht die Lehre nicht nur spannend, sondern auch zukunftssicher.
Richard: Beim Schnuppern erleben viele Jugendliche und Eltern einen Wow-Effekt – etwa beim Maschinenpark. Aber da Technik nicht nur beeindrucken, sondern auch überfordern kann, führen wir die Lehrlinge schrittweise an sie heran.
Robert: Essenziell für beide Seiten. Jugendliche erleben Technik hautnah – viele davon das erste Mal. Sie lernen den Unterschied zwischen verschiedenen Berufsbereichen kennen und vor allem ihr potenzielles Team. Kurz: Sie erfahren, was sie machen werden und mit wem.
Richard: Da schließe ich mich an, neben der fachlichen Komponente ist die menschliche sehr wichtig. Wir möchten sehen, ob ein junges Talent sich wohlfühlt und langfristig zur Unternehmenskultur passt.
Robert: Wir merken eine zunehmende Entfremdung von Handwerk und Technik, denn das Freizeitverhalten hat sich stark ins Digitale verändert. Das Potenzial ist nach wie vor da, aber die Berührungspunkte fehlen – sowie teilweise wichtige Sozialkompetenzen. Rund 20 % der Jugendlichen erscheinen trotz fixer Termine einfach nicht. Beim Schnuppern achten wir also auch verstärkt darauf.
Richard: Ich denke, die Vielfalt des Angebots überfordert Jugendliche – und fördert damit eine gewisse Unverbindlichkeit. Oft fehlt das Bewusstsein für die eigenen Stärken, und so kommen viele orientierungslos zum Schnuppern, ohne Ahnung, ob die Technik zu ihnen passt. Es mangelt eben an Vorbildern, die Begeisterung fürs Handwerk vorleben – und einfach mal mit ihnen einen Nagel in ein Stück Holz schlagen. In der kurzen Zeit versuchen wir, erste Impulse zu setzen – auch wenn das manchmal weg von der Technik führt. Eigentlich müsste Berufsorientierung aber viel früher beginnen.
Richard: Am besten schon im Kindesalter, damit Talente frühzeitig entdeckt und gefördert werden können und Jugendliche sich später selbstbestimmt für einen Beruf entscheiden. Stattdessen wird in Schulen eher einseitig für das „Weiterlernen“ geworben, und gegen Ende der 4. Klasse soll sehr plötzlich eine Entscheidung fallen – ohne dass alle Optionen wirklich bekannt sind.
Robert: Wir möchten hier das Schulsystem stärker in die Verantwortung nehmen – ohne die gesamte Last auf die Lehrpersonen abzuwälzen. Sie leisten viel und sind engagiert. Gleichzeitig ist aber klar: Lehrer:innen geben durch ihren eigenen Weg – über ein Studium – unbewusst eine Richtung vor. So findet an Schulen oft mehr eine Schul- als Berufsorientierung statt. Dabei sind Denkweisen wie „Lerne erst mal weiter, eine Lehre kannst du immer noch machen“ überholt.
Robert: Die Lehre im Technikland Vorarlberg hat heute eine Qualität wie nie zuvor – sie ist modern, praxisnah und passt sich den Bedürfnissen junger Menschen laufend an. Ich würde mir wünschen, dass sie endlich als gleichwertiger Weg anerkannt wird. Für manche passt der schulische Weg besser, für andere ganz klar die Lehre, wo die Praxis im Mittelpunkt steht.
Richard: Genau. Die Lehre ist kein Umweg, sondern ein eigenständiger Bildungsweg. Viele merken, dass sie durch den Praxisbezug auch theoretische Inhalte besser verstehen – das motiviert!
Richard: Wir sind beide große Fans des Blockunterrichts. Weniger Ablenkung, mehr Fokus – das sorgt für einen besseren Lernfluss. Auch im Betrieb ist es ein Vorteil: Lehrlinge können konzentriert an Projekten arbeiten, ohne ständig unterbrochen zu werden. Und längere Phasen in Schule oder Betrieb stärken auch die Bindung – zu den Ausbildenden genauso wie zu den Kolleg:innen.
Robert: Frühzeitige Gelegenheiten, Verschiedenes – und damit auch die Technik – auszuprobieren. Am besten mit Menschen, die ihre Begeisterung authentisch weitergeben können. Der Lehrplan gibt hier eigentlich schon viele Optionen her. Warum nicht engagierte Pensionist:innen aus dem Technikland einbinden, die ihr handwerkliches Know-how in Schulen zeigen? Bei unseren MINT-Tagen für die Kinder unserer Mitarbeitenden sehen wir, wie wertvoll erste Praxiserfahrungen sein können.
Richard: Auch regelmäßige Gespräche über mögliche Zukunftswege sind wichtig – und zwar lange vor dem Ende der vierten Klasse. Hier sind vor allem die Eltern gefragt.
Robert: Wir stehen nach wie vor zu 100 % hinter dem einheitlichen Zusagetermin. Er ermöglicht es Jugendlichen, ohne Druck zu entscheiden, welcher Betrieb wirklich zu ihnen passt. Und das funktioniert nur, wenn alle Betriebe am selben Tag ihre Zusagen kommunizieren.
Richard: Es geht nicht darum, dass sich Unternehmen einen Wettlauf um Lehrlinge liefern. Viel wichtiger ist, dass Jugendliche eine echte Wahl haben. Das ist ein Gewinn für beide Seiten.
Robert: Vor allem hoffe ich in Zukunft auf eine frühe und nachhaltige Verzahnung von Schule und Wirtschaft, damit Orientierung schon vor der Pubertät beginnt und kontinuierlich stattfindet.
Richard: Ich wünsche mir, dass Jugendliche mehr Raum zur Selbstfindung bekommen. Einerseits, indem sie früh die Möglichkeit haben, eigene Interessen zu entwickeln, und andererseits, indem ihnen alle Optionen vermittelt werden. Wenn junge Talente ihre Interessen und Stärken kennen und wissen, wo sie diese weiterentwickeln können, dann treffen sie ihre Berufsentscheidung wirklich selbstbestimmt.
ROBERT KAUFMANN
Lehrlingssprecher der Industrie Vorarlberg und Ausbildungsleiter der Julius Blum GmbH
Karrierestart: durch eine Lehre zum Werkzeugbautechniker
RICHARD KOHLER
Stellvertretender Lehrlingssprecher der Industrie und Produktionsleiter der Doppelmayr Seilbahnen GmbH
Karrierestart: durch eine Lehre zum Maschinenschlosser